Operation Ljutsch

Der geheime Schlüssel zur Deutschen Einheit

Roman

Band I  Ausfahrt

Band II Heimkehr

Leseprobe Band I Ausfahrt

Vorwort: Berlin 2015

 

Das Ende des Kalten Krieges kam planmäßig. In nur vier Jahren löste eine Supermacht konspirativ ihr eigenes Bündnis, das noch kurz zuvor der NATO auf Augenhöhe gegenüber stand und sich als ideologisch begründeter Sieger der Geschichte sah.

Heute, nach über zwanzig Jahren, fragen sich viele, wie das geschehen konnte? Was waren die wirklichen Ursachen und Hintergründe für diesen rasanten Rückzug, der wie ein Zerfall wirkte?

Bis heute wird kolportiert, dass der ehrenwerte Herr Gorbatschow, auf Mahnung des ehrenwerten Herrn Sacharow, den moralischen Offenbarungseid des Systems, in die dilettantisch-pragmatische Politik der Auflösung eines Imperiums überleitete.

Ein bis an die Zähne bewaffneter Militär- und Sicherheitsapparat schaute dabei untätig zu, bis alles im Orcus der Geschichte verschwunden war.

Wie naiv!

Das zu glauben ist ähnlich unrealistisch wie anzunehmen, der einst ehrenwerte, jetzt ramponierte Herr Obama könne auf Anregung des ehrenwerten Dalai Lama, alle siebenhundert Stützpunkte im Ausland räumen, die NATO auflösen und eine weltweite Friedensbewegung anführen. Vorbei an siebzehn Geheimdiensten und einem alles beherrschenden Militärisch-Industriellen Komplex.

Band I  Ausfahrt, Teil I–IV

eBook mit Illustrationen des Autors

610 Seiten

ISBN: 978-3-7427-1242-4

 

Teil Eins: Das Vermächtnis

Kapitel 1: Der Notar

 

Wieder schien eine Schachpartie eröffnet und Albrecht van Oie fragte sich, ob es für ihn ein ebenso gutes Ende nehmen würde wie damals, als die Mauer in Berlin fiel. Als dem erleichterten Aufatmen ob des friedlichen Durchbruchs, der einen befreienden Aufbruch verhieß – Tage wie Hammerschläge folgten und die Zeit einer anderen Auslegung anbrach, die noch Generationen umtreiben würde.

Eine neue Zeitrechnung, in der die anlaufende, Geld getriebene Zentrifuge der deutschen Vereinigung sogleich begann, die suchend Besonnenen, Nachdenklichen und Verunsicherten an den Rand zu schleudern.

Nachhallende Ereignisse, Personen, Fakten und Vermutungen zwischen Kreml-Flug und Mauerfall mischten sich seither zu einem Puzzle von Figuren und Schachzügen, das unentschlüsselbar schien, da kein plausibles Gesamtbild existierte. Was war damals wirklich geschehen, – wie konnte es so schnell geschehen, vor allem aber, was waren die Hintergründe und welche Akteure gab es noch?

 

Igor Iwanowitsch Antonow, der Chef der Operation Ljutsch, die zur Maueröffnung führte, war im Jahr 2004 in Moskau verstorben. Oie hatte es zufällig aus der Zeitung erfahren und damals in stillem Gedenken mit einem Wodka quittiert. Er wusste nichts von Antonows letzten Lebensjahren, hatte keine Adresse, kannte keine Verwandten, – und hatte eigentlich schon begonnen, ihn zu vergessen.

Bei ihrer letzten Berliner Begegnung in den Neunzigerjahren hatte Antonow auf Oies Nachstochern zu den Geheimnissen um die Maueröffnung wie so oft mit spöttischer Miene geantwortet: »Oie, darüber darf ich dir immer noch nichts sagen, denn das Wesen der Geheimdienste ist, – sie sind geheim. Die einzige Währung, mit der Dienste bezahlen und bezahlt werden, ist das Geheimnis.«

Gleich darauf kam jedoch ein schelmisches »Aber Außenstehende könnten es so sehen ...« – und er erzählte ein paar erhellende persönliche Anekdoten, die zeigen sollten, dass er guten Willens war, aber nichts sagen durfte von dem, was er als Dirigent der Operation zur Maueröffnung unzweifelhaft wusste.

Doch nun, sechs Jahren nach dem Tod des Freundes, erhielt Oie eines Abends den Anruf eines Berliner Notariats. Er möge in einer Nachlass-Sache Igor Antonow vorbeikommen und einen Brief entgegennehmen. Sie verabredeten einen Termin für den nächsten Tag um zehn Uhr.

In dieser Nacht schlief Oie, den sonst nichts aus der Ruhe bringen konnte, schlecht. Rasselnde Militäraufmärsche wechselten mit rätselhaften, hektischen Verfolgungsszenen im dunkel verhangenen Berlin, in denen sein lang vermisster Bruder Otto wie ein Spuk auftauchte und lachend auf eine von Menschen umwuselte, hell erleuchtete Bresche in der Mauer verwies, bevor er sich mit einem letzten, ewigen Blick im Nebel auflöste. Nass geschwitzt wachte Oie auf und wusste nicht, ob er es der Traumwelt oder der kochenden Stadt zurechnen sollte, – der die weiten, aufgeheizten Ziegel-Gebirge seit Tagen jede Nachtfrische raubten.

Auf der morgendlichen Fahrt durch das schon flirrende Berlin fragte er sich, was nach nunmehr sechs Jahren wohl nachgelassen werde von Igor Antonow, – und was ihn das noch anginge, ihn, einen Gestalter Anfang sechzig, – im zwanzigsten Jahr nach der Deutschen Vereinigung?

Oie hatte es unter unausweichlichem Anpassungsdruck geschafft, die radikalen Veränderungen des Berufsumfeldes nach der Wende zu bestehen, die so viele seiner akademischen Künstlerkollegen aus der Bahn warfen. Das hektische Tempo der neuen Zeit, die geldgetriebene Atemlosigkeit und der Verlust an Maßstäben für das Beständige, Verwurzelte und Gültige in der Gestaltung hatten ihn herausgefordert, – und er hatte es, so glaubte er, mit Haltung gepackt. Unter dem Segel der Gesamtgestaltung, wie er es nannte, um sich von den modisch aufgesetzten Attitüden der Friseure im Design abzugrenzen, wurden neue, anspruchsvolle Kunden und Partner gewonnen, die seine gestalterische Sicht teilten, kulturelle Verwurzelung schätzten, – und auch die besondere Eigentümlichkeit seiner Entwürfe für Gegenstand und Raum honorierten.

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